Frühe Schlürfbiene

 

Die Frühe Schlürfbiene (Rophites algirus)

An der Hessischen Bergstraße sind mehr als 200 von 424 in Hessen vorkommenden Wildbienen nachgewiesen [1]. Darunter befinden sich zahlreiche Arten, die in der Roten Liste der Wildbienen Hessens verzeichnet sind.
Wildbienen finden sich zumeist auf blumenreichen Wiesen. Dabei sind es oft nicht die selten gewordenen Pflanzenarten (wie z.B. Orchideen), die eine reiche Wildbienenfauna begründen, sondern „bunte“ Wiesen“ mit teils weit verbreiteten Pflanzenarten (z.B. Glockenblumen), die oft nicht als geschützt gelten und daher im Naturschutz oftmals weniger Beachtung finden.
Solche blütenreichen Magerrasen finden sich an der Bergstraße insbesondere bei Bensheim-Gronau. Sie sind von landesweiter Bedeutung für die hessische Wildbienenfauna. Im Rahmen langjähriger Erhebungen konnten dort mehrere Arten nachgewiesen werden, die in Hessen als „stark gefährdet“ oder als „vom Aussterben bedroht“ [2]) eingestuft sind. Besondere Erwähnung unter diesen Wildbienen verdient die Frühe Schlürfbiene (Rophites algirus).

Frühe Schlürfbiene (Rophites algirus)
Frühe Schlürfbiene (Rophites algirus)
Foto: Stefan Tischendorf

Die Schlürfbiene ist eine solitär lebende Wildbiene, die in vegetationsarmen, sonnenbe-schienenen, trockenen Böden nistet. Ihre Nester finden sich daher in mageren Wiesen in schütter bewachsenen Böschungen [3]. Die Flugzeit erstreckt sich von Mitte Mai bis Ende Juni zur Blütezeit des Aufrechten Ziests (Stachys recta). Die Stirn der Weibchen trägt zu Stacheln umgestaltete Haare, eine Einrichtung zum Pollensammeln in kleinen Blüten von Lippenblütlern [4]). Dies ist ihre Hauptpollenpflanze, die nur an sehr warmen Lagen (meist Südhänge) vorkommt. Die Frühe Schlürfbiene ist in Hessen nur an der Bergstraße nachgewiesen, das Vorkommen bei Bensheim ist jedoch bereits seit 1930 bekannt. Das Hauptvorkommen konzentriert sich auf den etwa 2 ha großen Magerrasen in Hanglage im Hartmannsrech oberhalb des kleinen Kiesbruchs. Dort kann sie nun seit fast 30 Jahren beobachtet werden (zuletzt 2022). Dieser Magerrasen ist wegen seiner Südexposition und seinem flachgründigen Untergrund (verwitterter Granodiorit mit Lößauflage) an der Hessischen Bergstraße einzigartig. An keiner anderen Stelle der Bergstraße wächst die einzige Pollenpflanze, der Aufrechte Ziest, in solcher Dichte, was wiederum Grundvoraussetzung für das reichliche Vorkommen der Schlürfbiene ist. Die bemerkenswerte Größe der Schlürfbienenpopulation ist ganz wesentlich ein Resultat der sehr erfolgreichen Pflege durch den Naturschutz [5]. Die Wildbiene profitiert von der kleinräumigen (!) gestaffelten Mahd der Magerrasen, wodurch zur Flugzeit der Schlürfbiene stets ein durchgehendes Pollenangebot gewährleistet wird. Ohne bzw. durch eine nicht angepaßte Mahd der Wiesen würde die Bienenart innerhalb weniger Jahre aus Bensheim und damit aus Hessen verschwinden.

Wünschenswert für den Erhalt dieser und damit stellvertretend auch zahlreicher anderer bei Gronau vorkommender Wildbienen wäre die Herstellung von mehreren kleineren südexponierten Lösswänden zur Förderung der potentiellen Nistplätze. Diese waren ehemals in Hohlwegen oder an Wegrändern von Gronau weit verbreitet. Sie sind jedoch infolge der Sukzession durch Gehölze nahezu zugewachsen, womit konkurrenzschwache Arten verdrängt wurden. Offene Lößwände, auch außerhalb von Hohlwegen, finden sich an der Bergstraße kaum noch. Da sie durch Nutzung kaum noch entstehen, könnte der Naturschutz durch Anlage von Steilwänden einen weiteren Schritt für den Erhalt der in Böden nistenden Wildbienen an der Bergstraße und darüber hinaus machen.

Aufrechter Ziest (Stachys recta)
Aufrechter Ziest (Stachys recta)
Foto: © klahen
Frühe Schlürfbiene (Rophites algirus). An den Hinterbeinen transportiert sie die Pollen, die sie nur am Aufrechten Ziest sammelt.
Frühe Schlürfbiene (Rophites algirus). An den Hinterbeinen transportiert sie die Pollen, die sie nur am Aufrechten Ziest sammelt.
Foto: Stefan Tischendorf
Vom NABU Meerbachtal angelegte Insektenwand für Wildbienen im Hartmannsrech.
Vom NABU Meerbachtal angelegte Insektenwand für Wildbienen im Hartmannsrech.
Foto: © klahen
Lösswand mit Brutgängen von Wildbienen und anderen Insekten am Weg zum Hartmannsrech.
Lösswand mit Brutgängen von Wildbienen und anderen Insekten am Weg zum Hartmannsrech.
Foto: © klahen
Lösswand für Insekten, insbesondere Wildbienen oberhalb des Parkplatzes beim Weingut Götzinger in Bensheim-Zell. Leider schreitet hier die Verbuschung immer weiter fort.
Lösswand für Insekten, insbesondere Wildbienen oberhalb des Parkplatzes beim Weingut Götzinger in Bensheim-Zell. Leider schreitet hier die Verbuschung immer weiter fort.
Foto: © klahen

Verfasser: Stefan Tischendorf, 06/2022

Literaturverzeichnis

[1] Tischendorf, Stefan, S. (2000): Die Stechimmenfauna (Hymenoptera, Aculeata) an der Hessischen Bergstraße mit Hinweisen zum Vorkommen der Arten in Hessen. – Naturwissenschaftlicher Verein Darmstadt – Bericht N.F. 23: 81-137, Darmstadt.

[2] Tischendorf, S., Frommer, U., Flügel, H.-J., Schmalz, K.H. & Dorow, W.H.O. (2009): Kommentierte Rote Liste der Bienen Hessens – Artenliste, Verbreitung, Gefährdung. – 151S.; Wiesbaden (Hessisches Ministerium für Umwelt, Energie, Landwirtschaft und Verbraucherschutz).

[3] Westrich, P. (2019): Die Wildbienen Deutschlands. – 2. Auflage, 824 S., 1700 Farbfotos. Stutt­gart (E. Ulmer).

[4] Westrich, Paul (1990): Die Wildbienen Baden-Württembergs. − 972 S.; Stuttgart (Verlag P. Ulmer

[5] Hölzel, N. (1998): Pflege und Entwicklung mahdgeprägter, orchideenreicher Trespen-Halbtrockenrasen an der Hessischen Bergstraße durch eine Naturschutzgruppe. – Jahrbuch Naturschutz in Hessen 3: 117-120, Zierenberg.

[6] Tischendorf, Stefan 2011. Die Schlürfbiene(Rophites algirus). Artikel aus: NABU Meerbachtal 25 Jahre Naturschutz in unserem Tal. 1. Auflage. NABU Meerbachtal Hinweis: Der obige Artikel ist eine Aktualisierung aus 2022 dieses Dokuments.

Redaktion: klahen, NABU Meerbachtal, 06/2022

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